In der Musiktherapie geht es um Ausdruck und Kommunikation mit Hilfe von Klängen, Geräuschen und Rhythmen, also zunächst um nichtsprachliche Äußerungen. Musikalische Vorkenntnisse oder Musikalität sind in keiner Weise erforderlich. Das "Musizieren" soll zu freien, ganz elementaren Lebensäußerungen führen, ohne jede künstlerische Absicht. Es werden Instrumente benutzt, die keinerlei Vorbildung erfordern.
Musik kann Tiefenschichten erreichen, die der Alltagssprache zu erreichen oft nicht möglich sind. Nicht nur das noch nicht in Worten Aussprechbare kann hier seinen Ausdruck finden, sondern auch das Unsagbare, das Unaussprechliche.
Der Begriff "Improvisation" ist in der Musiktherapie von zentraler Bedeutung. Die Patienten und die Therapeutin erforschen mit Hilfe von improvisierter Musik die Innenwelt der Patienten, um sie auf diese Weise umfassender zu verstehen. Dies geschieht konkret über unterschiedliche musiktherapeutische Angebote, z.B. strukturierte, themengeleitete oder freie Improvisationen.
Freies musiktherapeutisches Improvisieren bedeutet, dass eine Gruppe zusammen mit der Therapeutin gleichzeitig und spontan auf Instrumenten spielt, um die Wirkungen des Spiels dann gezielt zu nutzen. In diesem gemeinsamen Spiel ereignen sich zwischen den Spielerinnen und Spielern vielfältige Interaktionsprozesse. Wichtige Beziehungsparameter wie Nähe - Distanz, Spannung - Entspannung, Führen - Sich Anpassen werden erfahrbar und können zunehmend reguliert werden.
Ein wichtiges Charakteristikum der Musiktherapie ist die bewusste Verwendung des Handelns, einerseits als Möglichkeit für spontane Inszenierungen förderlicher wie auch potentiell schädigender Verhaltensweisen gleichermaßen, andererseits als Neuerfahrung im Sinne eines Probehandelns. Ebenso ist es möglich, im Rahmen des musiktherapeutischen Prozesses bisher noch nicht entdeckte Ressourcen zu aktivieren, die die Chance bieten, einen neuen Zugang zu Kreativität und persönliche Entwicklung zu finden.
Die Reflektion und das Sprechen über das Erfahrene ist ein zentraler Punkt im musiktherapeutischen Prozess. Hier geht es darum, das im musikalischen Geschehen Erlebte zu beschreiben und auf dem Hintergrund der eigenen Biografie zu vertiefen, um es so besser zu verstehen und zu integrieren. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang auch die Rückmeldungen der Gruppenmitglieder, die zu einer Auseinandersetzung mit schwierigen Beziehungsmustern sowie zu einem vertieften Verständnis der eigenen Person führen können. Insgesamt wird durch den rhythmischen Wechsel zwischen Musik und Gespräch der therapeutische Prozess in der Gruppe weiterentwickelt und intensiviert. Der zunehmend bewusste und aktive Umgang mit dem musikalischen "Material" fördert Patientinnen und Patienten in ihrer sozialen Kompetenz und bewirkt eine Steigerung des Selbstvertrauens, das dazu führt, sich auch im Alltag wieder die Konfrontation mit schwierigen, konflikthaften Situationen zuzutrauen.